Sonntag, 13. Januar 2008

Heimaturlaub - LH 710

20. Dezember, beim Anflug auf Frankfurt direkt übers eigene Haus geflogen. Gewunken. Ankunft am Frankfurter Flughafen: Immer wieder von neuem desorientierend, wieso stellen die hier keine klaren Schilder auf, geht’s jetzt vom Flugsteig nach links oder nach rechts? Und wieso riecht’s hier immer abwechselnd nach Zigarettenqualm und Jauche? Angenehm: Ich glaube Deutschland ist das einzige Land, wo man bei der Einreise keine Formulare ausfüllen muß.

Auf meinem Blackberry dann die mit Spannung erwartete Nachricht, dass ich die dritte und letzte japanische Fachprüfung bestanden habe. Rosemarie und Adrian erwarten mich schon am Gepäckband, beide schauen gut aus! Es ist ein guter Tag.

Zur Abwechslung mal wieder in einem deutschen Haus: Das Schönste ist, wenn man mitten in der Nacht aufwacht und rumläuft, ist es überall wohlig warm. In Japan schlotterst du mit den Zähnen.

Aber die zwei Wochen geh’n schnell rum. Freitag 04.01. im Wallis: Um 5 Uhr 30 aufgestanden, den Leihwagen vollgepackt (Sixt war äußerst kulant and hat auf halbem Weg in den Süden den viel zu kleinen Focus C-Max ohne Aufpreis in einen A6 Kombi mit Quattro und Topausstattung umgetauscht), auf den bis Bern leeren schweizer Autobahnen mit Tiptronic und 540 Newtonmetern flott vorangekommen. Kurz nach Fribourg der vertraute Blick nach rechts auf Mönch, Eiger, Jungfrau. Patty sitzt links und fährt, hinten geben sich Fritz und sein Freund Luca wieder voll die I-Pod Dröhnung. Ab Basel dann das übliche Gedränge auf der deutschen Autobahn: Bis Baden-Baden nach wie vor die vierspurige Ausbaustufe, Planungsstand von 1928 (HaFraBa – Ha-ha), trotzdem pünktlich um 12 bei Muttern zum Mittagessen: Ungeachtet inzwischen mangelnder Kochpraxis hat sie sich mit Fleischküchle und Kartoffelsalat im Handumdrehen wieder die 5 Sternle der schwäbischen Gourmetküche zurückerobert!

Weitergehetzt nach Frankfurt und am nächsten Tag mittags wieder auf den Flieger. Angenehm: Rückgabe des Leihwagens in Frankfurt direkt neben der Abflughalle, schneller Check-in, dann wieder der Geruch von Jauche und Zigarettenqualm. Bei der Sicherheitskontrolle: Schichtwechsel, also läuft erstmal gar nichts (die Einstellungspraktiken fuer das Flughafen-Sicherheitspersonals und die ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnisse - Leiharbeiter mit Niedrigstloehnen, Vorstufe Hartz IV - sind mir leider aus meiner Bekanntschaft mit der Nürnberger Behörde vertraut. Ich frage mich, inwieweit mit solch demotiviertem Personal die Flugsicherheit erhöht werden soll).

Dann der Flugsteig: Total überfüllt, das Bodenpersonal scheint etwas den Überblick verloren zu haben. Auf drei gleiche Fragen nach den Meilengutschriften bekommen wir drei verschiedene Antworten („Das macht die Kollegin da drüben“; „Ne, das machen wir hier nicht, ist mir egal was die Kollegin am Check-in gesagt hat“; „Also gut, geben Sie her….“ ). Am Snackstand weist eine resolute Südländerin ihre internationale Klientel in vier Sprachen zurecht und macht ihnen auf pampige Weise klar, wie sie sich anzustellen und ihre Bestellungen aufzugeben haben. Ein gutmütiger Amerikaner weist sie höflich darauf hin, dass er sein Brötchen gerne nur mit Schinken, und nicht mit Schinken und Käse hätte, und er meine, dass er auch Brötchen nur mit Schinken auf der gegenüberliegenden Thekenseite gesehen habe. Die streitsüchtige Dame springt von einem Ende der Theke zum anderen, holt links und rechts jeweils ein Schinken-Käse Brötchen raus, streckt sie dem Amerikaner ins Gesicht und schreit ihn an, hier sei alles dasselbe, nämlich Schinken-Käse!! Die Atmosphäre ist aufs Äußerste gespannt, doch kurz bevor die Dame zum finalen Gesichtssprung ansetzt macht der Amerikaner einen Rückzieher und ordert Schinken-Käse. Mit achselzuckendem Grinsen wendet sich die Furie ans Publikum: Seht Ihr, geht doch!

Im Flieger: Viele bekannte Gesichter von der Schule / Kirche in Tokyo und auch ein netter Arbeitskollege aus Düsseldorf. Man fühlt sich schon wieder wie zu Hause. Dann bleibt die Maschine plötzlich auf der Rollbahn stehen: Der Lufthansa-Kapitän informiert, dass man einen Passagier vergessen habe. Die Dame sei nach dem Einchecken eingeschlafen - so was sei noch nie passiert. Statt sich zu entschuldigen (wieso prüfen die denn nicht bevor sie die Klappe zumachen, ob alle eingestiegen sind???) macht er einen ziemlich fassungslosen Eindruck und lässt uns nach typisch deutscher Manier genau wissen, wie es um seine ziemlich beschissene Befindlichkeit steht. Klingt etwas unprofessionell, der Mann. Eine Gangway wird herangerollt, die eingeschlafene Japanerin (ich hab’s ja gesagt, die ratzen wo sie können!) trippelt rauf und wird in die erste Klasse durchgewunken. Dann wird die Gangway wieder abgezogen. Jetzt muß nachgetankt werden, man ist ja schon ne halbe Stunde auf dem Rollfeld rumgegurkt. Also wird die Gangway wieder rangefahren – falls das Flugzeug beim Betanken explodiert, muß wohl ein Rettungsweg gegeben sein. Nach weiteren 30 Minuten meldet sich wieder der Kapitän: Man habe jetzt durch die Verzögerung sämtliche Überflugrechte über Polen verloren und er wisse überhaupt nicht mehr, ob und wann er diesen Flug starten könne. Wir haben den Eindruck, daß der Kapitän ziemlich fertig ist.…

Eine weitere halbe Stunde später heben wir dann doch noch zu unserem Elf-Stunden Flug ab, davon allein acht Stunden über Sibirien: Permafrost mit zu Eis erstarrten Flüssen, teilweise schöne Gebirge, ab und zu eine komplett überfrorene Siedlung. Ich muß an meinen Vater denken, der hier von 1945 bis 1950 fünf furchtbare Jahre im Arbeitslager überlebte.

Ankunft Sonntagmorgen in Narita: Im Vergleich zum Frankfurter Flughafen extrem übersichtlich, klare Verkehrswege, gedämpfte Atmosphäre, saubere Toiletten. Kurze Schlange bei der Paßkontrolle trotz neueingeführter Abnahme von Fingerabdrücken und Aufnahme von Photos, dabei die Hälfte der Anstehenden persönlich bekannt. Die höflichen Umgangsformen des Flughafenpersonals stehen in starkem Kontrast zu dem zwischen Schnippigkeit, Fassungslosigkeit und Desinteresse schwankenden Ton in Frankfurt.

Unsere sechs dicke Koffer sind die ersten auf dem Förderband, und gleich hinterm Zoll steht schon ein weißbehandschuhter Chauffeur mit unserem Namensschild, der sich nach japanischer Manier erst einmal dafür bedankt, daß er uns abholen darf – dabei haben wir ihn doch wegen des Zwischenfalls anderthalb Stunden warten lassen! Er nimmt uns einen Gepäckwagen ab und geleitet uns unter vielen Verbeugungen mit freundlicher Miene zu seinem in kurzer Distanz bereitstehenden Luxusvan. Dort lädt er den ganzen Krempel für uns ein, während wir uns auf die bequemen Sessel fläzen, mit mehr Beinfreihet und einem größeren Fernsehschirm als in der Business Class – und das ganze zum Preis eines Taxis. Hat Patty wieder gut gebucht. Bei frühlingshaften Temperaturen und strahlendem Sonnenschein lassen wir uns auf leeren Straßen ins erwachende Tokio schaukeln – es könnte schlimmere Heimfahrten geben!