Sonntag, 17. Februar 2008

watashi no uchi wa totemo samui desu. so desu!

- Unser Haus ist verdammt kalt –

Anfang Januar dachte ich noch, ich könnte den gesamten Winter ohne Lodenmantel überstehen: Weit gefehlt. War mal wieder eins dieser Märchen über Japan: Von wegen milder Winter! Fast hatte ich auch verdrängt, dass ich schon seit Mitte Dezember keinen Abend ohne mit kochendem Wasser aufgefüllter Wärmflasche ins Bett gegangen war – eine Routinehandlung, die ich nach 43-jähriger Unterbrechung – wer erinnert sich nicht an den strengen deutschen Winter 1965, wir waren damals noch ohne Zentralheizung – gerne wiederaufgenommen hatte. Die Gummi-Wärmflaschen werden übrigens direkt aus Deutschland importiert und sehen noch genauso aus wie damals, komplett mit der deutschen Aufschrift „Kein kochendes Wasser einfüllen!“.

Ohne jetzt auf die Details japanischer Architektur eingehen zu wollen: In den Wohnhäusern zieht’s in der Regel wie japanische Hechtsuppe. Hat was mit der schlampigen Bauweise und dem Fehlen jeglicher Baustandards zu tun. Wir haben noch Glück: Im Wohn-/Essbereich, also auf unserer vierten Etage, haben wir Fußbodenheizung unter Parkett. Leider hat man bei der Fußbodenheizung jedoch die Toilette auf diesem Flur ausgelassen: Dankbar klammern wir uns deshalb bei jeder entsprechenden Gelegenheit an die beheizte Klobrille!

Außerdem haben wir durchgehend Doppelverglasung an den Fenstern, was hier auch nicht Standard ist, und ich habe im Spätherbst mit dem Schraubenzieher vorsorglich sämtliche zugänglichen Scharniere und Riegeleinschübe so adjustiert, das die Fenster und Türen so gut es geht gegen die entsprechenden Rahmen gedrückt werden (und nicht einfach so bei jedem Luftzug durch die Gegend flattern).

Auf den Etagen 2 und 3, wo sich unsere Schlafzimmer befinden, gibt es nur die Deckenklimageräte, die im Umkehrschub auch Warmluft blasen. Im Eingangsbereich des Erdgeschosses gibt es aber gar keine Heizmöglichkeit; hier war wohl mal die Einrichtung einer Eissporthalle angedacht. Und genau von da unten zieht’s dann kalt durchs ganze Haus.

Der Entschluß war gefasst: Wir machten uns mal wieder auf den Weg zu unserem Riesen-Denki-Laden (Elektrohändler, so ne Art Media-Markt), wo wir schon viele technische Geräte mit nicht entzifferbaren Aufschriften und unleserlichen Gebrauchsanleitungen erstanden haben. Mit wildem Gestikulieren (in die zusammengelegten Hände blasen, Flügelschlagen und auf die Oberarme klopfen, auf und Niederhüpfen) taten wir unser Anliegen kund. Der Verkäufer sprach gutes Englisch, bat uns, mit dem Affentheater aufzuhören, und verkaufte uns aus seinem Riesenlager einen Petroleumofen sowie eine Benzinpumpe.

Als nächstes ging ich dann zur Tankstelle, um Petroleum zu kaufen. Dort fand mal wieder überhaupt keine Kommunikation statt, und aus Angst, mit Benzin statt Petroleum nach Hause zu kommen und letzteres dann versehentlich in die Luft zu jagen, ging ich wieder mit leeren Händen. Patty hat dann am nächsten Tag einen 18-Liter Kanister nach Hause gezerrt (Taxis lehnen bei diesem Transportgut eine Beförderung ab). Einige Tage lang hatte sie danach auch in nüchternem Zustand etwas Schlagseite.

Fritz muß jetzt also alle zwei Tage mit der Pumpe raus, alle vierzehn Tage bestellen wir den Tanklaster (in Smart-Größe), um unsere zwei 18-Liter-Behälter auf zufüllen, und Patty und ich rennen immer rauf und runter um den Petroleum-Ofen an- und auszustellen: Endlich die ersehnte Grundwärme im Treppenhaus, auch wenn 50% der Heizleistung gleich durch die falzlose Haustür wieder nach draußen geblasen wird.

Und genau hier liegt das andere Problem: Auch der Petroleumofen wärmt durch Gebläse und nicht, wie erhofft, durch Strahlungswärme. Der Stahlkörper des Gerätes bleibt auch nach stundenlangem Blasen kalt! Die Wirkung auf unsere Schleimhäute ist eine Verlederung im fortgeschrittenen Stadium (trocken, spröde) und ich musste letzte Woche meine erste Grippe in Japan nehmen.

Also machen wir, was alle Japaner machen: Gestern sind wir wieder zu unserem Lieblings- Denki-Geschäft gehetzt, um uns einen Luftbefeuchter zuzulegen. Der nette englischsprechende Kollege, der noch genau einen Petroleumofen übrig hatte, wusste sofort Bescheid: Leider war jedoch sein gesamtes Luftbefeuchterlager ausverkauft, wir möchten doch bitte im September wiederkommen, meinte er. Ich benutzte allerdings die Gelegenheit und ließ mir von ihm zeigen, wie wir auf unserem Fernseher das Bild von 40 cm (Durchschnittsgröße der letzten vier Monate) auf die 80 cm, die uns technisch eigentlich zur Verfügung stehen, aufblasen können. Es ist ganz einfach: Zuerst drückst Du diese Taste 搤, dann diese 摴, und zum Schluß diese 斈, bis dann dieses Symbol erscheint 无 …..

Zum Glück haben wir im Bahnkaufhaus (die Bahnhöfe hier sind alle Kaufhäuser und gehören den privaten Bahngesellschaften, so locken sie die Landbevölkerung in die Stadt) doch noch einen letzten Luftbefeuchter erstanden. Kein Mensch konnte mir erklären, wie das Ding funktioniert, und da das Produkt nur in Japan vertrieben wird, gibt es auch im Internet keine nicht-japanische Gebrauchsanweisung. Nun, ich habe mal einen Knopf gedrückt und Wasser eingefüllt, es kommt zwar kein Nebel aus dem neonblau beleuchteten Gebläse, aber immerhin kalte Luft, und das eingebaute Hygrometer zeigt schon eine Verbesserung der Luftfeuchtigkeit von 30% (Wüstenqualität) auf immerhin 40%.

So sind wir jetzt also neben der Bedienung von sechs Klimaanlagen, drei Fußbodenheizungen, fünf Ventilatoren und der umständlichen Wartung einer Kerosinheizung auch noch mit dem Nachfüllen, Einstellen und In-der-Wohnung-rumtragen eines Luftbefeuchters beschäftigt.

Nachts im Bett, in meinen Träumen vom Sieg gegen die Jedi-Ritter, begleitet mich jetzt das beruhigende Rauschen meiner neuesten technischen Errungenschaft, und befriedigt schaue ich in die Runde der mindestens vierundzwanzig (wer kann sie noch alle zählen?) Leuchtdioden: Auf den ausgeknipsten Lichtschaltern, den wandmontierten Fernbedienungen für Klimageräte und Lüfter, auf der Anzeige des Luftbefeuchters und des Hygrometers, dann noch der blinkende BlackBerry. Und durch die offene Tür des (unbeheizten) Badezimmers scheint wie eine fliegende Untertasse die high-tech Kloschüssel mit blinkendem Armaturenbrett auf uns zu zuschweben…..

Sonntag, 3. Februar 2008

In Japan ist jeden Tag Karneval...

Die Luft in Tokio ist besser als die Luft in Frankfurt

Sonntag, 12. Januar. Der Nachbar rechterhand hat mal wieder seinen leuchtenden Blaumann angezogen und werkelt seit Stunden am 328i Cabrio seiner Frau rum. Sein Fiat 500 (Baujahr 1965) und der Viertürer Maserati (Baujahr 2000, seltenes Modell, den er vor Weihnachten in einem sechzehn-Stunden Wochenend-Marathon blankgewienert hat) bleiben heute in der Garage. In symmetrischer Anordnung sind rund um den 328er Schüsselschen mit Schrauben, Muttern und Gummimuffen in Position gesetzt. Ich frage ihn scherzhaft, ob er Winterreifen aufziehen will. Hai, hai, meint er, was soviel heißt wie „’türlich“. Seine Frau liege zwar seit einer Woche mit einer mit einer Grippe im Bett, aber für heute Nacht sei Schnee angesagt, und man wisse ja nie. Ich heuchle lächelnd Verständnis. Auf unserer Straße hängen Zitronen- und Orangenbäume voller Früchte, die Kübel- und Topfpflanzen stehen in Hofeinfahrten und am Straßenrand: Ein schöner Anblick auf dem Weg zur Bahnstation in der Früh.

Am nächsten Morgen liegt tatsächlich etwas Puderzucker auf den Dächern. Die Straßen sind völlig frei, und der Nachbar nimmt wie jeden Morgen das Fahrrad zur Arbeit. Die Zitronenbäume und Blumensträucher sind mit Plastikplanen bedeckt.

Die Nachbarin linkerhand fährt übrigens Mercedes. Ich mag sie nicht. wir haben uns nur einmal gesprochen, vor Monaten. Ich stellte mich vor und sagte,
- Hallo, ich bin der neue Nachbar!
Darauf sie:
- Sind Sie Amerikaner?.
Ich:
- Nein, ich bin Deutscher!
Sie:
- Mein Schäferhund ist auch Deutscher, es ist ein deutscher Schäferhund!
Wir haben seither kein Wort mehr miteinander gewechselt. Ich halte es nicht für notwendig, mit ihr eine engere Beziehung aufzubauen.

Sehr angenehm in Tokio: Die Luft hier ist gar nicht schlecht. Dies fiel gleich wieder nach der Landung auf dem weit außerhalb liegenden Flughafen Narita auf, als uns ein laues Frühlingslüftchen umwehte. Aber auch in der Riesenstadt Tokio hält sich die Luftverschmutzung im Rahmen. Ein wesentlicher Faktor: In Japan gibt es keine Diesel-PKWs. Man bevorzugt außerdem großvolumige Motoren und fährt meist recht defensiv, so dass der Verkehr – mit Ausnahme der Hauptstraßen – eher flüsternd wahrgenommen wird. Obendrein sind ja auch die beliebten Motorroller inzwischen fast alle mit blubbernden Viertakter-Benzinern ausgestattet. Das Ganze eine Wohltat für meine empfindlichen Ohren und für meine empfindliche Lunge.

Samstag, 18. Januar. Der Nachbar hat wieder seinen leuchtenden Blaumann an. Das 328er Cabrio ist heute wieder an der Reihe. Er zieht die Sommerreifen auf.

Sonntag, 3. Februar. In ganz Tokio Schneematsch. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich, wie jemand auf einer Strecke von 50 Metern Buckel mit seinen Halbschuhen den Schneematsch zum Straßenrand schiebt. Ohne ersichtlichen Grund. Für die Busse kanns nicht sein, denn die haben auf einmal alle Schneeketten und fahren nur im Kriechtempo. Ich fahre fröhlich mit meinem Roller zum Thermalbad, mit Schihose und Helm fühlt sich’s warm und wohlig an. Zum ersten Mal leere Straßen: In fünf Minuten bin ich da, zu Fuß wär’s ‚ne halbe Stunde gewesen.