Mittwoch, 19. Dezember 2007

Kaminoge - Unsere kleine Bahnstation

Weihnachten in Shibuya

Roppongi Hills

Weihnachtsmarkt

Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, im öffentlichen Raum aus Höflichkeit jemandem eine Tür offen zu halten. Man steht dann da den Rest des Tages – der Menschenstrom versiegt nicht.

Der neue japanische Justizminister hat die Hinrichtungsstätten der staatlichen Gefängnisse besichtigt. Er meinte, der Tod durch den Strang, welches die normale, laufend praktizierte Form der Hinrichtung in diesem Land ist, sei nicht „friedlich“ genug. Er wolle sich dafür einsetzen, dass in Zukunft friedlichere Hinrichtungsformen praktiziert würden.

In der U-Bahn heute wieder die übliche Geruchsmischung aus grünem Tee, sauren Gurken und Kuhstall, mit einem Hauch von Mottenkugeln. Die Japaner weigern sich beharrlich, irgendwelche Parfums oder After-shaves aufzutragen. Diese Gerüche sind Ihnen unangenehm. Schon wenn sie am internationalen Flughafen Narita ankommen beklagen sie sich schon: Igitt, hier riecht’s nach Europäern….!“

Ein weiterer, sehr starker Kontrast zur westlichen Welt: Die Japaner strecken nicht selbstbewusst die Brust oder das Kinn raus wie der Amerikaner, oder bewahren zumindest das, was in Europa gemeinhin als „Contenance“ bekannt ist. Nein, der Japaner lässt sich einfach sacken. In gebückter Körperhaltung schleicht er an Dir im Büro vorbei, ohne zu grüßen. Wenn es kalt ist, zieht er sich die vergammeltste Mütze über die Stirn und lässt sie nach hinten über die Schulter lappen (was glaubt Ihr, wo die Hip-Hop Mode erfunden wurde?). Wenn er erkältet ist, zieht er sich einen Atemschutz über Mund und Nase und nimmt das Ding auch nicht ab, wenn er mit Dir redet. Zuletzt gesehen an einem Weihnachtsmann in Roppongi mit Weißer Perücke. Bescheuerter geht’s nicht. Und die Japanerin? Der Rock kurz bis zum Schritt, darüber baumelt eine leichte Schürze, in Europa nur auf Waffenschein (schwerste Gattung) erhältlich, und dann schlurft, strunzt und dackelt sie mit aneinandergeklemmten Knien durch die Designerläden als hätte sie ein Inkontinenzproblem. In der U-Bahn dann sacken Männlein und Weiblein, unabhängig vom modischen Outfit, komplett in sich zusammen nach dem Motto: Jede Minute Schlaf zählt! Man läuft durchs Büro, plötzlich ratzt da einer voll nach vorne über den Schreibtisch gekippt, den Kopf zwischen den gefalteten Armen begraben. Völlig normal, erst heute wieder gesehen. Mittagsschlaf.

Nach vier Monaten komme ich mir vor wie ein Eindringling in dieser Welt. Ich sehe nicht aus wie sie, ich rieche nicht wie sie, ich esse nicht wie sie und ich spreche Ihre Sprache nicht. Peinlich: Ich habe überhaupt kein Japanisch gelernt, außer ein paar Grußformeln, deren ständig wiederholte Äußerungen – aufgrund meiner nicht vorhandenen Alternativen – mir inzwischen selbst peinlich geworden sind, so dass ich meistens gleich Englisch rede. Und die Erkenntnis, dass selbst bei größter Anstrengung die mir verbliebenen Gehirnzellen und die mir verbleibenden Lebensjahre nicht ausreichen würden, um dieses Sprachmonstrum auch nur annähernd zu meistern. Die drei Fachprüfungen im japanischen Bank- und Börsenwesen, die ich inzwischen ableisten durfte, habe ich auf Englisch gemacht. Welches Recht habe ich, mich über diese guten Leute lustig zu machen???

Vor unserem Bürogebäude – Mori-Tower in Roppongi Hills – hat man einen Weihnachtsmarkt nach deutschem Vorbild aufgestellt. In Bretterbuden wird Franziskaner-Weißbier ausgeschenkt und Currywurst verkauft, daneben, beim „Badenser“, gibt es Schupfnudeln mit Sauerkraut. Überall Räuchermännchen aus dem Erzgebirge. Am letzten Stand dann– heißer Frankfurter Apfelglühwein, vom Possmann.

Dienstag, 4. Dezember 2007

Es weihnachtet in Tokyo

Letzte Woche waren wir mal wieder im Cavern Club. Ist ja nur 5 Minuten vom Büro, und außerdem war George Harrisons Todestag. Mabu und Genossen hatten einen befreundeten Sitar- und einen Tablaspieler eingeladen, und die waren auch ganz talentiert, haben schön die Harrison-Sitar-Stücke von Revolver, Rubber Soul und St. Pepper’s gespielt und ein bisschen Ulk mit dem Publikum getrieben.

Dann Pause. Fast eine Stunde. Na gut, über die Stereoanlage heute statt Beatlesmusik Harrsion-Cover-Versionen, und dann auch seine Aufnahmen als Bandmitglied der „Travelling Wilburys“ (mit Bob Dylon, Jeff Lynne, Roy Orbison und Tom Petty) Patty sagt: Kuck’ mal, vielleicht spielen die heute gar nicht, da vorne läuft Mubacho (John Lennon) im Flannelhemd rum, die tragen ja gar keine Beatles-Outfits…

Und plötzlich stehen die Travelling Wilburys auf der Bühne: Naganuma (Paul McCartney) als Bob Dylan, schick mit Japanerhütchen, und Kabe (normalerweise George Harrison) als Roy Orbison (weißes Perlmutthemd und zurückgegeltes Haar). Dazu noch der Keyboarder aus der John Lennon-Session (einsfünfundneunzig großer Hüne mit langem Haar und Sonnenbrille: Die Japaner sind auch nicht mehr so klein wie sie mal waren), sowie ein zweiter Lead-Gitarrist im schwarzen Ninja-Outfit.

Mabuchi (John Lennon) wie immer in bester Spiellaune, klampft schon beim Fade-out der CD mit, singt heute die Stimme von Roy Orbison. Und wie. Ich kann’s nicht fassen. While my guitar gently weeps: Beide Leadgitarristen spielen ein jeweils geiles Solo, der Ninja-Typ beherrscht die Gitarre als wär es ein Körperteil, und steigern sich dann im vom Schlagzeuger Kabe (Ringe, heute mit besonders viel Drive) getriebenen Accelerando in ein wahnsinns-Doppelsolo rein. Wir sitzen da und kriegen den Mund nicht zu. Und die klotzen ein Stück nach dem anderen der Travelling Wilburys raus, als hätten sie die letzten 10 Jahre nichts anderes gemacht. Dabei spielen sie vier- bis fünfmal die Woche „nur“ Beatles-Lieder. Vollblutmusiker: Mabuchi stimmt auch mal während des Spiels seine Gitarre nach, oder setzt mal zwei Takte aus, zieht ein Capodastro auf und spielt das Stück mit neuer Griff-Folge weiter: Vollprofis. Ein ketzerischer Gedanke taucht auf: Die Beatles können gar nicht so gut gewesen sein wie diese Typen!

Erstaunlich, was diese Metropolis in ihren besten Momenten zusammenkocht! Für mich haben sich die vier Monate Japan allein schon durch den viermaligen Besuch dieses Clubs mit den „Silver Beats“ gelohnt.

Die spielen übrigens auch am 24.12. (Kaisers Geburtstag in Japan).

http://www.silverbeats.com/profile.html
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Am Samstag dann großer Weihnachtsmarkt der Kreuzkirche. Die Kreuzkirche ist unsere Kirchengemeinde (ja, wir gehen regelmäßig in die Kirche. Und zwingen Fritz zur Konfirmation) und gleichzeitig einer der Knotenpunkte der deutschen Diaspora (und ihrer japanischen Fangemeinde). Dort wurden mindestens 50 Adventskränze verkauft (teilweise von Patty geflochten, und teilweise von ihr gekauft), 250 Liter Glühwein und mindestens fünfhundert Bratwürste. Seit Monaten wurden von den Angestellten deutscher Firmen rauhe Mengen an Lebkuchen importiert und hier jetzt für teures Geld an den Mann gebracht. Das Ganze bei strahlendem Sonnenschein – denn im Dezember bricht der japanische Herbst zu vollem Glanz aus – für den Abend hatten wir Glühbirnen in die Äste gehängt. Die Blätter der Ahorn- und Ginkobäume erreichen Ende November ihre tiefste Färbung, und bei 20 Grad im Schatten kann man’s auch in der Sonne gut aushalten.

Die Kirche ist eine Bretterbude mit Fenstern aus Reispapier, und die Veranstaltung findet in erster Linie zur Finanzierung stabilisierender Baumaßnahmen, des Pfarrhaushalts und einer angedachten neuen Orgel statt. Es war ein sehr gelungenes Fest.

Mittwoch, 28. November 2007

Warum liegt die Arbeitslosenquote in Japan unter fünf Prozent? Die Leute wissen sich eben zu beschäftigen.

Beispiel Bahn: Unsere Bahnstation - sie befindet sich an einer Nebenstrecke - wird zur Zeit umgebaut. Der Preßholzboden ist sauber mit starkem Tesaband verklebt, und die für den Umbau notwendigen breiten Stützpfeiler sind mit Dämmwolle, darüber Plastikfolie in grellen Farben, ummantelt. Man ist aber der Meinung, dass dies nicht ausreicht, um die Sicherheit der Bahnpassagiere zu gewährleisten. Also postiert man vor jedem Stützpfeiler einen Wachposten in Orwell’s 1984er Uniform mit weißem Helm, das blaue Jacket akzentuiert mit Leuchtfarben und Katzenaugen, in der Hand einen Leuchtstab der Jedi-Ritter. Kurz vor der Einfahrt eines Zuges (dies geschieht alle drei Minuten) rufen sich die Herren Wachposten (ein halbes Dutzend an der Zahl) die gute Nachricht zu: Der Zug kommt! Mit der Geste des geübten Parkplatzeinweisers bedeuten Sie dem einfahrenden Zug den sicheren Halteplatz neben dem Perron, direkt auf den Schienen. Die Türen öffnen sich, und die Parkplatzwächter verbeugen sich tief vor den aussteigenden Fahrgästen: „Wir bitten um Verzeihung, gnädige Herrschaften, aber wir ersuchen Sie höflichst, rechts an den Stützpfeilern vorbeizugehen und den Ausgang aufzusuchen. Wir danken Ihnen vielmals für Ihr gütiges Verständnis!“ Grundsätzlich drücken sich daraufhin alle Passagiere links an den Pfeilern vorbei, denn da geht’s Richtung Ausgang. Die Jedi-Ritter tun dies nun schon seit mindestens vier Monaten so. Von morgens fünf bis nachts um zwölf.

An den Hauptstrecken der Bahn dagegen stehen immer reguläre Bahnbeamte zur Überwachung des Geschehens, im Durchschnitt drei pro Waggon. Hier ist die Uniform in sanftem Mausgrau gehalten, Schnitt des Anzugs und Stil der Kappe exakte Kopien der deutschen Rotkreuz-Uniformen aus den fünfziger Jahren (des vorigen Jahrhunderts). Wichtigstes Kriterium beim strengen Auswahlverfahren des Bahnpersonals ist eine laute und sichere Quäkstimme, mit der die verschiedenen Gruß- und Entschuldigungsformeln laut aber penetrant an die ankommenden Passagiere adressiert werden können: „Guten Morgen, Entschuldigung, dass Sie schon wieder an dieser Station angekommen sind, verlassen Sie bitte umgehend den Perron oder quetschen Sie sich in den Zug, der auf der anderen Bahnsteigseite auf Sie wartet. Wir bitten vielmals um Verzeihung!“ Natürlich ist ihre Hauptaufgabe sicherzustellen, dass alle Waggontüren vor Abfahrt des Zuges geschlossen sind. Mit ihren weißen Handschuhen drücken sie die Kleinkinder durch den sich schließenden Spalt…..

Im Inneren der Züge herrscht eisige Stille. Das gesamte Pendeln vollzieht sich in einer Atmosphäre strikter Anonymität, man meidet den Blick des Gegenübers, der oder die im Abstand von 2,5 Zentimetern in die zusammengefaltete Zeitung transpiriert. Neuankömmlinge drücken sich grundsätzlich rückwärts in den schon vollen Zug. Der Gluteus Maximus wird zur Waffe, zur Pufferzone und zum Stützpfeiler des verrenkten und krampfartig um Ausgleich der ständigen Beschleunigungs-, Flieh-, Stoß- und Rüttelkräfte des Zuges bemühten Körpers. Die Zehen werden nach oben angewinkelt um darunter Platz für einen Spätankömmling zu bieten. Hoffentlich steht heute nicht wieder der kleine Warme mit dem schwarzen Pullover neben mir und schwitzt seitlich durch mein Hemd…..

Ein Soziologe der renommierten Shei-sen Universität hat unletzt die Hypothese aufgestellt, dass der Grund für den Rückgang der Eheschließungen und der Niedergang der traditionellen Familie in Japan nicht zuletzt auch darin zu suchen ist, dass der Durchschnittsjapaner zweimal täglich (während der Stoß- bzw. Hauptverkehrszeiten) in den vollen Zügen zum Vollzug intimer körperlicher Kontakte gezwungen wird. Wer verkraftet da noch eine Ehe?

Montag, 19. November 2007

Japanische Klos muß man mal gesehen haben. Und gefühlt.

Während zehn Prozent der öffentlichen japanischen Toiletten aus einem in den Boden eingelassenen Becken mit zwei erhobenen Porzellaninseln zum Platzieren der Fußballen, sowie einem zielgerecht mittig in den Boden eingelassenen Loch bestehen, handelt es sich bei den restlichen 90 % um eine Kombination aus Bidet und Klo.

Die High-Tech-Geräte sind Standard in Privathaushalt, Restaurant und Büro, was anderes gibt es dort nicht. Die Produktbezeichnung des Marktführers ist „washlet“, abgeleitet vom englischen „toilet“. Die Brille trägt etwas stärker auf als bei der gemeinen europäischen Toilette und ist fest mit einer Stromquelle verkabelt. Eine umfangreiche Armatur mit Druckknöpfen, verschiedenen Symbolen für diverse Körperteile und Waschvorgänge befindet sich auf einer dicken Seitenleiste oder ist in Reichweite an der Wand angebracht.

Schon beim Runterlassen der Hose spürt man die warme Heizstrahlung der Brille. Sie lässt sich stufenlos regulieren. Beim Setzen wird automatisch die Absauglüftung aktiviert, und es brummt und pfeift, bis man sich wieder erhebt. Wichtigstes Utensil der „After-„behandlung ist die AD (Analdüse), mit der der Japaner die wichtigste Grundregel des Shintoismus – die innere und äußere Reinheit – in einem Aufwasch realisiert. Für die Japanerin steht meistens auch noch eine in Gegenrichtung düsende VD (Vaginaldüse) zur Verfügung. Bei beiden sind Temperatur und Intensität regelbar. Die Toilettenspülung – Temperatur einstellbar – wird ebenfalls über ein elektronisches Bauteil gesteuert.

Der Gedanke, dass die vielen Menschen, denen ich täglich begegne, mit quitsch-sauberen Unterkörpern herumlaufen, löst immer wieder eine harmonische Grundstimmung in mir aus. - Die Erzielung größtmöglicher Harmonie ist ein weiteres Grundprinzip des Shintoismus.

Sonntag, 11. November 2007

In Japan funktioniert einiges anders (oder auch nicht)

So langsam merke ich, dass die Leute hier anders ticken. Zum Beispiel Bank: Ich geh’ zu meiner Bank, bei der ich ein Konto auf Englisch eröffnet hatte. Das Mädel am Schalter spricht exzellentes Englisch, hat Sie in Tokio auf einem Mädcheninternat gelernt.
Ich möchte einen Dauerauftrag einrichten und zwei Überweisungen tätigen.

- Guten Tag, ich möchte einen Dauerauftrag einrichten.
- Entschuldigung, wie bitte?
- Jeden Monat, am gleichen Tag, den gleichen Betrag auf dasselbe Konto überweisen.
- Aha, eine Einzugsermächtigung.
- Nein, jeden Monat, am gleichen Tag, den gleichen Betrag auf dasselbe Konto überweisen. Man nennt das Dauerauftrag.
- Tut mir leid, machen wir nicht.
- Gut, dann möchte ich 500.000 Yen auf das Konto meiner Frau überweisen.
- Geht nicht.
- Warum nicht?
- Wir glauben nicht, dass die Überweisung ankommen wird.
- Interessant, dass Sie das sagen, ich habe nämlich gestern per Internet-Banking schon einmal 500.000 Yen an meine Frau überwiesen, und die Überweisung ist auch nicht angekommen!
- Sehen Sie, tut mir leid.
- Dann habe ich aber noch eine Überweisung: Ich muß einen Vorschuß an meine Firma zurückzahlen.
- Wie heißt denn die Firma?
- Shoken Kaisha. Sie ist hier im Gebäude. Sehen Sie auf meinen Zettel, hier habe ich den Namen der Firma in japanischen Schriftzeichen, die Bankverbindung mit Namen der Bank und Bankleitzahl, sowie eine Referenz und sogar das interne Konto bei der Shoken Kaisha.
- Wir glauben nicht, dass die Zahlung ankommen wird. Gehen Sie lieber noch mal hoch und vergewissern Sie sich, dass der Name Ihrer Firma richtig geschrieben ist.
- Herrgott, der Name steht doch auch auf meiner Visitenkarte, hier, schauen Sie her, es ist genau derselbe Name, genau gleich geschrieben.
- Entschuldigung, wir meinen Sie sollten noch einmal hochgehen um ganz sicher zu sein…..
- Ich geh’ jetzt nicht noch mal hoch! Ich gehe hoch, wenn Sie die Überweisung angenommen habe! Und ich komme wieder runter, wenn das Geld nicht angekommen ist! Aber ich gehe doch nicht hoch UM DEN NAMEN MEINER EIGENEN FIRMA ZU VERIFIZIEREN UND DANN WIEDER RUNTERZUKOMMEN!
- Na gut, wir probieren’s mal. Schreiben Sie hier bitte die Kontonummer auf das Formular.
- Können Sie das nicht für mich ausfüllen?
- Nein, das müssen Sie tun………
………….
- Dann hätten ich gerne noch einen Kontoauszug
- Kontoauszüge versenden wir nur einmal im Monat, am 15. für den vorausgegangnen Monat
- Warum denn erst am FÜNFZEHNTEN??
- So des! (Häufige japanische Floskel, entspricht etwa dem Deutschen „trallala“)
- Kann ich meine Kontobewegungen auf Ihrem Bildschirm sehen?
- Nein, aber ich kann Ihre Kontobewegungen auf meinem Bildschirm sehen.
- Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mich auf Ihren Bildschirm schauen zu lassen?
- Tut mir leid, muß ich fragen!
(Tuschel tuschel – so des! Tuschel tuschel so des!)
- Also gut, da müssen wir uns aber hier rüber setzen.
- Prima, geben Sie mir doch bitte ein Papier von diesem Stapel, dann kann ich gleich mitschreiben
- Nein, dieser Stapel Papier ist nur für Devisentransaktionen……

So kommt es, dass ich von mir selbst verfasste handgeschriebene Kontoauszüge abhefte...

Patty hat übrigens auch ein Konto, bei einer anderen Bank bei uns um die Ecke. Die Leute da sprechen kein Englisch, sind aber immer sehr höflich. Patty wird behandelt wie der beste Kunde. Bis jetzt ist kein Yen auf diesem Konto angekommen. Deshalb hat sie auch noch keine Kontoauszüge erhalten.

Und so kommt es, dass ich bei Bedarf immer ein Bündel Geldscheine nach Hause bringe, das stecken wir dann in’n Strumpf. Patty zahlt damit unsere laufenden Rechnungen; es dauert nämlich grundsätzlich zwei bis drei Monate, um eine Einzugsermächtigung einzurichten.

Zwei Tage danach beim Motoradhändler:
- Dies ist ein sehr schönes Motorrad und auch noch recht neu. Kann ich es einmal probefahren?
- Nein.
- ??? Vielleicht das daneben?
- Auch nicht……
- So des?
- So des, ne!

Samstag, 3. November 2007

KYOTO ist eine schöne Stadt. Viele Bäume säumen ihr Weichbild.

Die letzten beiden Tage haben wir (Patty, Fritz und ich) in Kyoto verbracht. Das andere Japan. Schon ein sehr erholsamer Kontrast zu Tokyo. Landschaft. Gestaltete Strassen und Plätze. Flair. Und wahnsinnsviele Tempel und Schreine. Nijo-Burg, Kaiserpalast, der Tempel der 33 Tore und 1001 Buddahs etc. etc. Heute sind wir noch auf dem Philosophenweg spazierengegangen. Strahlender Sonnenschein. Sehr heimelig. Der japanische Herbst ist wirklich sehr schön.

Die japanische Architektur: Japanische Burgen und Schlösser: Wunderschöne Textilmalereien an den Wänden, große Schnitzkunst. Inneneinrichtung Fehlanzeige. Die mit Reispapier beschlagenen Schiebetüren machen das Drinnen zum Draußen. Im Sinne von Schutz vor den Elementen hat das ungefähr die Qualität eines Carport. Im japanischen Landschaftsgarten: Im Wald fegt einer das Moos, auf den Bäumen sitzen die Gärtner und schnippeln an den Ästen ’rum. Totaler Bonsai. Der Kies wird mit Förmchen arrangiert, und wird dann Jahrhunderte nicht mehr angefaßt.

Kyoto ist auf jeden Fall eine Reise Wert. Wir wohnten im alten Viertel Gion, sehr schöne Holzarchitektur im Kneipen- und Restaurantviertel, sowie alteingesessenes Handwerk von hoher Qualität. Patty hatte uns in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Gasthof mit sehr viel Charme, untergebracht. Die Schuhe werden am Eingang abgegeben. Die Einrichtung ist karg und geschmäcklerisch. Schiebetüren, Reispapier, man sitzt im Schneidersitz auf Strandmatten um einen niedrigen Tisch, auf dem eine Frau im Kimono Sukiyaki zubereitet. Danach werden die Futons ausgerollt. Der Fonduegeruch bleibt die Nacht über erhalten. Das Ganze ist eher so wie Zelten, oder für die Pfadfinder Übernachtung im Stammesheim. Zum Schluß noch ein Bad genommen: Im Holzzuber, völlig eingetaucht, daneben bisschen Steinchendeko. Irgendwann erliegt man dem japanischen Charme.

Oder davor im Edel-Restaurant im schlichten japanischen Stil. Wir hatten schon im Ryokan gegessen, also wollten wir nur ein bisschen Bier und Reiswein trinken und eine dicke Zigarre paffen. Alles kein Problem. Wenn dann so eine japanische Schönheit vor dir kniet, Dich anstrahlt und Dir dabei ein Teppichmesser reicht dann weißt Du: Sie will Deine Zigarre schneiden. Und irgendwann erliegst Du dem japanischen Charme.

Das japanische Essen: Ich glaube, man muß damit aufgewachsen sein, so wie mit Handkäs und Äppelwoi. Einiges ist ja ganz ordentlich, wie das lokale Schweineschnitzel (Tonkatsu, oberlecker) und die berühmte Nudelsuppe (Ramen), wobei die auch wieder nicht so gut ist, als dass ich in den letzten drei Monaten einmal in die Versuchung gekommen wäre, sie zu bestellen. In den Supermärkten riecht es oft wie bei uns in der Zoohandlung, oder in der Reihe für Hundefutter und Katzenstreu. Und man muß leider auch sagen: Ein sehr hoher Anteil der Japaner hat starken Mundgeruch. Macht die tägliche Arbeit im Büro auch nicht grade leichter.

Sehr gut: Das Bier! Wird immer eiskalt serviert, schmeckt sehr frisch, lecker, hat etwas weniger Alkohol und geschmackliche Intensität als das deutsche Bier, und ich würde es in diesem Klima jederzeit vorziehen (und tue dies auch laufend). Kampai (Prost)!

Freitag, 26. Oktober 2007

MABU, NAGANUBA, KUBO und KABE

21. Oktober 2007

5 Minuten von meinem Buero entfernt ist ein kleiner Club. Er heisst Cavern Club. Jeden abend spielt dort eine Beatles Cover Band. Die Stammband heisst Silver Beats, sie treten drei bis vier mal die Woche auf. Man sitzt direkt vor der Buehne, kann essen und trinken, und auf der Buehne stehen drei Typen, einer sitzt am Schlagzeug, in grauen Anzuegen, weissen Hemden und schwarzen Krawatten, Pilzkopffrisuren, und der Typ ganz links zupft an einem Hofer-Bass. Sie haben mehr oder weniger japanische Visagen, nur der Typ rechts hat eine verblueffende Aehnlichkeit mit John Lennon.

Die Jungs spielen jeden Abend drei bis vier Sets, bis morgens um 2, und wenn Sie die alten Lieder (She Loves You, I Want to Hold Your Hand) etc. spielen, denkt man, Die Leibhaftigen Vier stehen vor einem, und zwar jung und spritzig.. Wenn Sie Come Together spielen klingt es, als wuerde gerade Abbey Road eingespielt.

Ich hab’ sie in drei Wochen schon drei mal gesehen. An John Lennon’s Geburtstag wurden nur Lennon-Lieder gespielt, die meisten von seinen Solo-Alben. Das Verblueffende: Der Typ, der aussieht wie John Lennon (MABU, amerikanischer Vater, japanische Mutter), hat auch eine Stimme wie John Lennon. Und spielt eine knallharte Rhythmusgitarre. Bei Imagine, Let It Be oder Lady Madonna setzt er sich auch mal ans Keyboard.

Die beste Nummer gestern: While My Guitar Gently Weeps. Ich hab’ noch nie vorher eine Gitarre weinen hoeren. Das Solo des George Harrison-Typen war unbeschreiblich gut, handwerklich perfekt, mit leichter Hand gespielt, die Seiten mit gefuehl- und kraftvoller Bending-Technik auf jedem Bund mindestes einen Halbton konstant hochgedehnt, wie gesagt, die Gitarre hat geweint, und zwar intensiv sanft. Eric Clapton haette geweint.

Die Session gestern wurde beendet mit Everybody’s Got Something To Hide Except For Me And My Monkey. Hoert man auch nicht jeden Tag live. Extrem dicht und mit Drive gespielt. Die Typen haben uns hinterher erzaehlt, dass sie im Sommer als Vorgruppe fuer die Tournee der Killers in den USA und in England auftraten.

Die Internetseite:

http://www.silverbeats.com/

Dienstag, 23. Oktober 2007

2 Monate in Japan - die ersten Eindrücke

Japan ist erstaunlich hässlich, architektonisch ein Desaster, selbst wenn man aus anderen Ländern Asiens - wie z. B. China - zurückkehrt, hat man immer wieder das Gefühl, daß hier was außerordentlich schiefgegangen ist. Design und Geschmack scheinen auf den ersten Blick einfach nicht vorhanden, und man überlegt sich, ob es nicht doch eine Berechtigung für das Vorurteil gibt, daß die Japaner nur im Kopieren, nicht aber im Kreieren ihre Meisterschaft erlangen...

Jeden morgen fahre ich mit dem Zug zur Arbeit, zweimal umsteigen. Typische Szene: Der Bahnsteig ist so voll, dass der eben angekommene Zug nicht mehr abfahren kann. Auf dem gegenüberliegenden Gleis fährt der Anschlusszug ein, der ebenfalls schon rammelvoll ist. Trotzdem leert sich der gesamte Bahnsteig (bis auf mich) in den schon vollen Zug. Die Menschen drehen sich um und drücken sich mit dem Rücken und dem Hintern rein, greifen dann in die Innenleiste über der Tür und quetschen sich mit Gewalt in den Zug hinein. Weißbehandschuhte Schaffner schieben dann bei dem automatischen Schließen der Türen Aktentaschen, Schirme und heraushängende Körperteile hinein. Gegen das Fenster der geschlossenen Tür quetschen sich Wangen und Nasen. Ich bleibe auf dem Bahnsteig und warte auf den nächsten Zug....

Wenn man noch nicht auf dem Mars war: Auf dieser Erde ist Japan dasjenige Land, das dem Mars am nächsten kommt. Die Leute scheinen wirklich sehr konform, alle Abläufe sind stark normiert, alles erscheint komplizierter als es eigentlich sein sollte und müsste. Das fängt natürlich bei der Schrift an: Vom 7. bis zum 16. Lebensjahr lernt der Japaner pro Tag mindestens ein Schriftzeichen, welches wieder je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen und Aussprachen haben kann. Es gibt drei Schriftsysteme parallel, die zusammen und ergänzend verwandt werden. Zusätzlich muss der Japaner noch unser westliches Alphabet kennen, sonst kann er keinen Computer bedienen. Ob dieses komplexe Sprachsystem das Denken bestimmt und einengt, lautet eine oftgestellte Frage?

Von langjährig hier ansässigen "gaijin" läßt man sich dann erzählen, daß Japan noch ein perfekt funktionierender zentralistischer Polizeistaat ist, komplett mit Todesstrafe und Einparteiensystem. Die Nationalregierung zensiert die Geschichtsbücher und setzt die Taxitarife fest (in Tokio unverändert seit zehn Jahren). Aber eigentlich säßen in der Regierung nur Marionetten; regiert würde das Land vom sogenannten eisernen Dreieck, bestehend aus der Yakuza (der japanischen Mafia), der Bürokratie und der Bauindustrie. Zusammen haben sie das Land komplett zubetoniert.

Auf der Plusseite: Die Kultur ist so ulkig, dass man sie schon wieder Lieben muss! Die Manieren sind bei geschäftlichen Kontakten (Einkaufen, Taxifahren etc.) äußerst höflich. Es gibt wirklich schöne Frauen (beileibe nicht alle! aber ab und zu haut's einen wirklich vom Hocker), die wiederum haben ausgesucht schöne Gliedmaßen und verstehen sich sehr ansehnlich und geschmackssicher mit luftig-leichten Klamotten zu behängen. Die Restaurants und Kneipen sind super, man findet da auch sehr leicht Kontakt.

Wir wohnen - für Tokio - ganz nett in einem fünfstöckigen Haus mit Fahrstuhl. Auf jeder Etage 1 Zimmer. Es ist etwas kleiner als ich es in Erinnerung hatte, aber Fritz und Patty fühlen sich ganz wohl - bis auf die Momente, wo mal wieder eine Riesenkakerlake an der Wand hängt oder eine Monsterspinne durch den Flur galoppiert. Ja, ich würde das Klima hier tropisch nennen, vor einer Woche hatten wir noch 30 Grad und hohe Feuchte, waren beim Oktoberfest der Deutschen Schule in Yokohama, d a s gesellschaftliche Ereignis der deutschen Diaspora in Japan, schätzungsweise 2000 Besucher, Bratwurst, Bier, Sauerkraut, Laugenbrezeln, Schupfnudeln, Maultaschen, Raclette (von der Schweizer Fraktion) etc. etc. Japaner in Lederhosen blasen einen auf dem Alphorn, und singen danach alles von ich hab mein herz in Heidelberg verloren bis time to say goodbye und andere Opernklassiker, mit Akkordeon und Tuba. Aber ausgebildete Musikprofis, gut gemacht und mit viel Spaß und Freude.

Na ja und letzte Woche war der Tag des Sports, ich glaube der größte Feiertag in diesem atheistischen Land. Da tragen die Männer im Summ-Outfit irgendwelche Schreine durch die Strassen, welcher das ist und ob dies eine Bedeutung hat wird hier nicht so ernst genommen. Alle trinken Bier und schreien und sind einfach lustig. Zur Regelung des Verkehrs steht an jeder Straßenkreuzung ein Uniformierter mit versteinerter Miene und dem Leuchtstab der Jedi-Ritter aus Krieg der Sterne – oder lässt hier George Orwell schön grüßen aus 1984?