Mittwoch, 28. November 2007

Warum liegt die Arbeitslosenquote in Japan unter fünf Prozent? Die Leute wissen sich eben zu beschäftigen.

Beispiel Bahn: Unsere Bahnstation - sie befindet sich an einer Nebenstrecke - wird zur Zeit umgebaut. Der Preßholzboden ist sauber mit starkem Tesaband verklebt, und die für den Umbau notwendigen breiten Stützpfeiler sind mit Dämmwolle, darüber Plastikfolie in grellen Farben, ummantelt. Man ist aber der Meinung, dass dies nicht ausreicht, um die Sicherheit der Bahnpassagiere zu gewährleisten. Also postiert man vor jedem Stützpfeiler einen Wachposten in Orwell’s 1984er Uniform mit weißem Helm, das blaue Jacket akzentuiert mit Leuchtfarben und Katzenaugen, in der Hand einen Leuchtstab der Jedi-Ritter. Kurz vor der Einfahrt eines Zuges (dies geschieht alle drei Minuten) rufen sich die Herren Wachposten (ein halbes Dutzend an der Zahl) die gute Nachricht zu: Der Zug kommt! Mit der Geste des geübten Parkplatzeinweisers bedeuten Sie dem einfahrenden Zug den sicheren Halteplatz neben dem Perron, direkt auf den Schienen. Die Türen öffnen sich, und die Parkplatzwächter verbeugen sich tief vor den aussteigenden Fahrgästen: „Wir bitten um Verzeihung, gnädige Herrschaften, aber wir ersuchen Sie höflichst, rechts an den Stützpfeilern vorbeizugehen und den Ausgang aufzusuchen. Wir danken Ihnen vielmals für Ihr gütiges Verständnis!“ Grundsätzlich drücken sich daraufhin alle Passagiere links an den Pfeilern vorbei, denn da geht’s Richtung Ausgang. Die Jedi-Ritter tun dies nun schon seit mindestens vier Monaten so. Von morgens fünf bis nachts um zwölf.

An den Hauptstrecken der Bahn dagegen stehen immer reguläre Bahnbeamte zur Überwachung des Geschehens, im Durchschnitt drei pro Waggon. Hier ist die Uniform in sanftem Mausgrau gehalten, Schnitt des Anzugs und Stil der Kappe exakte Kopien der deutschen Rotkreuz-Uniformen aus den fünfziger Jahren (des vorigen Jahrhunderts). Wichtigstes Kriterium beim strengen Auswahlverfahren des Bahnpersonals ist eine laute und sichere Quäkstimme, mit der die verschiedenen Gruß- und Entschuldigungsformeln laut aber penetrant an die ankommenden Passagiere adressiert werden können: „Guten Morgen, Entschuldigung, dass Sie schon wieder an dieser Station angekommen sind, verlassen Sie bitte umgehend den Perron oder quetschen Sie sich in den Zug, der auf der anderen Bahnsteigseite auf Sie wartet. Wir bitten vielmals um Verzeihung!“ Natürlich ist ihre Hauptaufgabe sicherzustellen, dass alle Waggontüren vor Abfahrt des Zuges geschlossen sind. Mit ihren weißen Handschuhen drücken sie die Kleinkinder durch den sich schließenden Spalt…..

Im Inneren der Züge herrscht eisige Stille. Das gesamte Pendeln vollzieht sich in einer Atmosphäre strikter Anonymität, man meidet den Blick des Gegenübers, der oder die im Abstand von 2,5 Zentimetern in die zusammengefaltete Zeitung transpiriert. Neuankömmlinge drücken sich grundsätzlich rückwärts in den schon vollen Zug. Der Gluteus Maximus wird zur Waffe, zur Pufferzone und zum Stützpfeiler des verrenkten und krampfartig um Ausgleich der ständigen Beschleunigungs-, Flieh-, Stoß- und Rüttelkräfte des Zuges bemühten Körpers. Die Zehen werden nach oben angewinkelt um darunter Platz für einen Spätankömmling zu bieten. Hoffentlich steht heute nicht wieder der kleine Warme mit dem schwarzen Pullover neben mir und schwitzt seitlich durch mein Hemd…..

Ein Soziologe der renommierten Shei-sen Universität hat unletzt die Hypothese aufgestellt, dass der Grund für den Rückgang der Eheschließungen und der Niedergang der traditionellen Familie in Japan nicht zuletzt auch darin zu suchen ist, dass der Durchschnittsjapaner zweimal täglich (während der Stoß- bzw. Hauptverkehrszeiten) in den vollen Zügen zum Vollzug intimer körperlicher Kontakte gezwungen wird. Wer verkraftet da noch eine Ehe?

Montag, 19. November 2007

Japanische Klos muß man mal gesehen haben. Und gefühlt.

Während zehn Prozent der öffentlichen japanischen Toiletten aus einem in den Boden eingelassenen Becken mit zwei erhobenen Porzellaninseln zum Platzieren der Fußballen, sowie einem zielgerecht mittig in den Boden eingelassenen Loch bestehen, handelt es sich bei den restlichen 90 % um eine Kombination aus Bidet und Klo.

Die High-Tech-Geräte sind Standard in Privathaushalt, Restaurant und Büro, was anderes gibt es dort nicht. Die Produktbezeichnung des Marktführers ist „washlet“, abgeleitet vom englischen „toilet“. Die Brille trägt etwas stärker auf als bei der gemeinen europäischen Toilette und ist fest mit einer Stromquelle verkabelt. Eine umfangreiche Armatur mit Druckknöpfen, verschiedenen Symbolen für diverse Körperteile und Waschvorgänge befindet sich auf einer dicken Seitenleiste oder ist in Reichweite an der Wand angebracht.

Schon beim Runterlassen der Hose spürt man die warme Heizstrahlung der Brille. Sie lässt sich stufenlos regulieren. Beim Setzen wird automatisch die Absauglüftung aktiviert, und es brummt und pfeift, bis man sich wieder erhebt. Wichtigstes Utensil der „After-„behandlung ist die AD (Analdüse), mit der der Japaner die wichtigste Grundregel des Shintoismus – die innere und äußere Reinheit – in einem Aufwasch realisiert. Für die Japanerin steht meistens auch noch eine in Gegenrichtung düsende VD (Vaginaldüse) zur Verfügung. Bei beiden sind Temperatur und Intensität regelbar. Die Toilettenspülung – Temperatur einstellbar – wird ebenfalls über ein elektronisches Bauteil gesteuert.

Der Gedanke, dass die vielen Menschen, denen ich täglich begegne, mit quitsch-sauberen Unterkörpern herumlaufen, löst immer wieder eine harmonische Grundstimmung in mir aus. - Die Erzielung größtmöglicher Harmonie ist ein weiteres Grundprinzip des Shintoismus.

Sonntag, 11. November 2007

In Japan funktioniert einiges anders (oder auch nicht)

So langsam merke ich, dass die Leute hier anders ticken. Zum Beispiel Bank: Ich geh’ zu meiner Bank, bei der ich ein Konto auf Englisch eröffnet hatte. Das Mädel am Schalter spricht exzellentes Englisch, hat Sie in Tokio auf einem Mädcheninternat gelernt.
Ich möchte einen Dauerauftrag einrichten und zwei Überweisungen tätigen.

- Guten Tag, ich möchte einen Dauerauftrag einrichten.
- Entschuldigung, wie bitte?
- Jeden Monat, am gleichen Tag, den gleichen Betrag auf dasselbe Konto überweisen.
- Aha, eine Einzugsermächtigung.
- Nein, jeden Monat, am gleichen Tag, den gleichen Betrag auf dasselbe Konto überweisen. Man nennt das Dauerauftrag.
- Tut mir leid, machen wir nicht.
- Gut, dann möchte ich 500.000 Yen auf das Konto meiner Frau überweisen.
- Geht nicht.
- Warum nicht?
- Wir glauben nicht, dass die Überweisung ankommen wird.
- Interessant, dass Sie das sagen, ich habe nämlich gestern per Internet-Banking schon einmal 500.000 Yen an meine Frau überwiesen, und die Überweisung ist auch nicht angekommen!
- Sehen Sie, tut mir leid.
- Dann habe ich aber noch eine Überweisung: Ich muß einen Vorschuß an meine Firma zurückzahlen.
- Wie heißt denn die Firma?
- Shoken Kaisha. Sie ist hier im Gebäude. Sehen Sie auf meinen Zettel, hier habe ich den Namen der Firma in japanischen Schriftzeichen, die Bankverbindung mit Namen der Bank und Bankleitzahl, sowie eine Referenz und sogar das interne Konto bei der Shoken Kaisha.
- Wir glauben nicht, dass die Zahlung ankommen wird. Gehen Sie lieber noch mal hoch und vergewissern Sie sich, dass der Name Ihrer Firma richtig geschrieben ist.
- Herrgott, der Name steht doch auch auf meiner Visitenkarte, hier, schauen Sie her, es ist genau derselbe Name, genau gleich geschrieben.
- Entschuldigung, wir meinen Sie sollten noch einmal hochgehen um ganz sicher zu sein…..
- Ich geh’ jetzt nicht noch mal hoch! Ich gehe hoch, wenn Sie die Überweisung angenommen habe! Und ich komme wieder runter, wenn das Geld nicht angekommen ist! Aber ich gehe doch nicht hoch UM DEN NAMEN MEINER EIGENEN FIRMA ZU VERIFIZIEREN UND DANN WIEDER RUNTERZUKOMMEN!
- Na gut, wir probieren’s mal. Schreiben Sie hier bitte die Kontonummer auf das Formular.
- Können Sie das nicht für mich ausfüllen?
- Nein, das müssen Sie tun………
………….
- Dann hätten ich gerne noch einen Kontoauszug
- Kontoauszüge versenden wir nur einmal im Monat, am 15. für den vorausgegangnen Monat
- Warum denn erst am FÜNFZEHNTEN??
- So des! (Häufige japanische Floskel, entspricht etwa dem Deutschen „trallala“)
- Kann ich meine Kontobewegungen auf Ihrem Bildschirm sehen?
- Nein, aber ich kann Ihre Kontobewegungen auf meinem Bildschirm sehen.
- Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mich auf Ihren Bildschirm schauen zu lassen?
- Tut mir leid, muß ich fragen!
(Tuschel tuschel – so des! Tuschel tuschel so des!)
- Also gut, da müssen wir uns aber hier rüber setzen.
- Prima, geben Sie mir doch bitte ein Papier von diesem Stapel, dann kann ich gleich mitschreiben
- Nein, dieser Stapel Papier ist nur für Devisentransaktionen……

So kommt es, dass ich von mir selbst verfasste handgeschriebene Kontoauszüge abhefte...

Patty hat übrigens auch ein Konto, bei einer anderen Bank bei uns um die Ecke. Die Leute da sprechen kein Englisch, sind aber immer sehr höflich. Patty wird behandelt wie der beste Kunde. Bis jetzt ist kein Yen auf diesem Konto angekommen. Deshalb hat sie auch noch keine Kontoauszüge erhalten.

Und so kommt es, dass ich bei Bedarf immer ein Bündel Geldscheine nach Hause bringe, das stecken wir dann in’n Strumpf. Patty zahlt damit unsere laufenden Rechnungen; es dauert nämlich grundsätzlich zwei bis drei Monate, um eine Einzugsermächtigung einzurichten.

Zwei Tage danach beim Motoradhändler:
- Dies ist ein sehr schönes Motorrad und auch noch recht neu. Kann ich es einmal probefahren?
- Nein.
- ??? Vielleicht das daneben?
- Auch nicht……
- So des?
- So des, ne!

Samstag, 3. November 2007

KYOTO ist eine schöne Stadt. Viele Bäume säumen ihr Weichbild.

Die letzten beiden Tage haben wir (Patty, Fritz und ich) in Kyoto verbracht. Das andere Japan. Schon ein sehr erholsamer Kontrast zu Tokyo. Landschaft. Gestaltete Strassen und Plätze. Flair. Und wahnsinnsviele Tempel und Schreine. Nijo-Burg, Kaiserpalast, der Tempel der 33 Tore und 1001 Buddahs etc. etc. Heute sind wir noch auf dem Philosophenweg spazierengegangen. Strahlender Sonnenschein. Sehr heimelig. Der japanische Herbst ist wirklich sehr schön.

Die japanische Architektur: Japanische Burgen und Schlösser: Wunderschöne Textilmalereien an den Wänden, große Schnitzkunst. Inneneinrichtung Fehlanzeige. Die mit Reispapier beschlagenen Schiebetüren machen das Drinnen zum Draußen. Im Sinne von Schutz vor den Elementen hat das ungefähr die Qualität eines Carport. Im japanischen Landschaftsgarten: Im Wald fegt einer das Moos, auf den Bäumen sitzen die Gärtner und schnippeln an den Ästen ’rum. Totaler Bonsai. Der Kies wird mit Förmchen arrangiert, und wird dann Jahrhunderte nicht mehr angefaßt.

Kyoto ist auf jeden Fall eine Reise Wert. Wir wohnten im alten Viertel Gion, sehr schöne Holzarchitektur im Kneipen- und Restaurantviertel, sowie alteingesessenes Handwerk von hoher Qualität. Patty hatte uns in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Gasthof mit sehr viel Charme, untergebracht. Die Schuhe werden am Eingang abgegeben. Die Einrichtung ist karg und geschmäcklerisch. Schiebetüren, Reispapier, man sitzt im Schneidersitz auf Strandmatten um einen niedrigen Tisch, auf dem eine Frau im Kimono Sukiyaki zubereitet. Danach werden die Futons ausgerollt. Der Fonduegeruch bleibt die Nacht über erhalten. Das Ganze ist eher so wie Zelten, oder für die Pfadfinder Übernachtung im Stammesheim. Zum Schluß noch ein Bad genommen: Im Holzzuber, völlig eingetaucht, daneben bisschen Steinchendeko. Irgendwann erliegt man dem japanischen Charme.

Oder davor im Edel-Restaurant im schlichten japanischen Stil. Wir hatten schon im Ryokan gegessen, also wollten wir nur ein bisschen Bier und Reiswein trinken und eine dicke Zigarre paffen. Alles kein Problem. Wenn dann so eine japanische Schönheit vor dir kniet, Dich anstrahlt und Dir dabei ein Teppichmesser reicht dann weißt Du: Sie will Deine Zigarre schneiden. Und irgendwann erliegst Du dem japanischen Charme.

Das japanische Essen: Ich glaube, man muß damit aufgewachsen sein, so wie mit Handkäs und Äppelwoi. Einiges ist ja ganz ordentlich, wie das lokale Schweineschnitzel (Tonkatsu, oberlecker) und die berühmte Nudelsuppe (Ramen), wobei die auch wieder nicht so gut ist, als dass ich in den letzten drei Monaten einmal in die Versuchung gekommen wäre, sie zu bestellen. In den Supermärkten riecht es oft wie bei uns in der Zoohandlung, oder in der Reihe für Hundefutter und Katzenstreu. Und man muß leider auch sagen: Ein sehr hoher Anteil der Japaner hat starken Mundgeruch. Macht die tägliche Arbeit im Büro auch nicht grade leichter.

Sehr gut: Das Bier! Wird immer eiskalt serviert, schmeckt sehr frisch, lecker, hat etwas weniger Alkohol und geschmackliche Intensität als das deutsche Bier, und ich würde es in diesem Klima jederzeit vorziehen (und tue dies auch laufend). Kampai (Prost)!