Freitag, 26. Oktober 2007

MABU, NAGANUBA, KUBO und KABE

21. Oktober 2007

5 Minuten von meinem Buero entfernt ist ein kleiner Club. Er heisst Cavern Club. Jeden abend spielt dort eine Beatles Cover Band. Die Stammband heisst Silver Beats, sie treten drei bis vier mal die Woche auf. Man sitzt direkt vor der Buehne, kann essen und trinken, und auf der Buehne stehen drei Typen, einer sitzt am Schlagzeug, in grauen Anzuegen, weissen Hemden und schwarzen Krawatten, Pilzkopffrisuren, und der Typ ganz links zupft an einem Hofer-Bass. Sie haben mehr oder weniger japanische Visagen, nur der Typ rechts hat eine verblueffende Aehnlichkeit mit John Lennon.

Die Jungs spielen jeden Abend drei bis vier Sets, bis morgens um 2, und wenn Sie die alten Lieder (She Loves You, I Want to Hold Your Hand) etc. spielen, denkt man, Die Leibhaftigen Vier stehen vor einem, und zwar jung und spritzig.. Wenn Sie Come Together spielen klingt es, als wuerde gerade Abbey Road eingespielt.

Ich hab’ sie in drei Wochen schon drei mal gesehen. An John Lennon’s Geburtstag wurden nur Lennon-Lieder gespielt, die meisten von seinen Solo-Alben. Das Verblueffende: Der Typ, der aussieht wie John Lennon (MABU, amerikanischer Vater, japanische Mutter), hat auch eine Stimme wie John Lennon. Und spielt eine knallharte Rhythmusgitarre. Bei Imagine, Let It Be oder Lady Madonna setzt er sich auch mal ans Keyboard.

Die beste Nummer gestern: While My Guitar Gently Weeps. Ich hab’ noch nie vorher eine Gitarre weinen hoeren. Das Solo des George Harrison-Typen war unbeschreiblich gut, handwerklich perfekt, mit leichter Hand gespielt, die Seiten mit gefuehl- und kraftvoller Bending-Technik auf jedem Bund mindestes einen Halbton konstant hochgedehnt, wie gesagt, die Gitarre hat geweint, und zwar intensiv sanft. Eric Clapton haette geweint.

Die Session gestern wurde beendet mit Everybody’s Got Something To Hide Except For Me And My Monkey. Hoert man auch nicht jeden Tag live. Extrem dicht und mit Drive gespielt. Die Typen haben uns hinterher erzaehlt, dass sie im Sommer als Vorgruppe fuer die Tournee der Killers in den USA und in England auftraten.

Die Internetseite:

http://www.silverbeats.com/

Dienstag, 23. Oktober 2007

2 Monate in Japan - die ersten Eindrücke

Japan ist erstaunlich hässlich, architektonisch ein Desaster, selbst wenn man aus anderen Ländern Asiens - wie z. B. China - zurückkehrt, hat man immer wieder das Gefühl, daß hier was außerordentlich schiefgegangen ist. Design und Geschmack scheinen auf den ersten Blick einfach nicht vorhanden, und man überlegt sich, ob es nicht doch eine Berechtigung für das Vorurteil gibt, daß die Japaner nur im Kopieren, nicht aber im Kreieren ihre Meisterschaft erlangen...

Jeden morgen fahre ich mit dem Zug zur Arbeit, zweimal umsteigen. Typische Szene: Der Bahnsteig ist so voll, dass der eben angekommene Zug nicht mehr abfahren kann. Auf dem gegenüberliegenden Gleis fährt der Anschlusszug ein, der ebenfalls schon rammelvoll ist. Trotzdem leert sich der gesamte Bahnsteig (bis auf mich) in den schon vollen Zug. Die Menschen drehen sich um und drücken sich mit dem Rücken und dem Hintern rein, greifen dann in die Innenleiste über der Tür und quetschen sich mit Gewalt in den Zug hinein. Weißbehandschuhte Schaffner schieben dann bei dem automatischen Schließen der Türen Aktentaschen, Schirme und heraushängende Körperteile hinein. Gegen das Fenster der geschlossenen Tür quetschen sich Wangen und Nasen. Ich bleibe auf dem Bahnsteig und warte auf den nächsten Zug....

Wenn man noch nicht auf dem Mars war: Auf dieser Erde ist Japan dasjenige Land, das dem Mars am nächsten kommt. Die Leute scheinen wirklich sehr konform, alle Abläufe sind stark normiert, alles erscheint komplizierter als es eigentlich sein sollte und müsste. Das fängt natürlich bei der Schrift an: Vom 7. bis zum 16. Lebensjahr lernt der Japaner pro Tag mindestens ein Schriftzeichen, welches wieder je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen und Aussprachen haben kann. Es gibt drei Schriftsysteme parallel, die zusammen und ergänzend verwandt werden. Zusätzlich muss der Japaner noch unser westliches Alphabet kennen, sonst kann er keinen Computer bedienen. Ob dieses komplexe Sprachsystem das Denken bestimmt und einengt, lautet eine oftgestellte Frage?

Von langjährig hier ansässigen "gaijin" läßt man sich dann erzählen, daß Japan noch ein perfekt funktionierender zentralistischer Polizeistaat ist, komplett mit Todesstrafe und Einparteiensystem. Die Nationalregierung zensiert die Geschichtsbücher und setzt die Taxitarife fest (in Tokio unverändert seit zehn Jahren). Aber eigentlich säßen in der Regierung nur Marionetten; regiert würde das Land vom sogenannten eisernen Dreieck, bestehend aus der Yakuza (der japanischen Mafia), der Bürokratie und der Bauindustrie. Zusammen haben sie das Land komplett zubetoniert.

Auf der Plusseite: Die Kultur ist so ulkig, dass man sie schon wieder Lieben muss! Die Manieren sind bei geschäftlichen Kontakten (Einkaufen, Taxifahren etc.) äußerst höflich. Es gibt wirklich schöne Frauen (beileibe nicht alle! aber ab und zu haut's einen wirklich vom Hocker), die wiederum haben ausgesucht schöne Gliedmaßen und verstehen sich sehr ansehnlich und geschmackssicher mit luftig-leichten Klamotten zu behängen. Die Restaurants und Kneipen sind super, man findet da auch sehr leicht Kontakt.

Wir wohnen - für Tokio - ganz nett in einem fünfstöckigen Haus mit Fahrstuhl. Auf jeder Etage 1 Zimmer. Es ist etwas kleiner als ich es in Erinnerung hatte, aber Fritz und Patty fühlen sich ganz wohl - bis auf die Momente, wo mal wieder eine Riesenkakerlake an der Wand hängt oder eine Monsterspinne durch den Flur galoppiert. Ja, ich würde das Klima hier tropisch nennen, vor einer Woche hatten wir noch 30 Grad und hohe Feuchte, waren beim Oktoberfest der Deutschen Schule in Yokohama, d a s gesellschaftliche Ereignis der deutschen Diaspora in Japan, schätzungsweise 2000 Besucher, Bratwurst, Bier, Sauerkraut, Laugenbrezeln, Schupfnudeln, Maultaschen, Raclette (von der Schweizer Fraktion) etc. etc. Japaner in Lederhosen blasen einen auf dem Alphorn, und singen danach alles von ich hab mein herz in Heidelberg verloren bis time to say goodbye und andere Opernklassiker, mit Akkordeon und Tuba. Aber ausgebildete Musikprofis, gut gemacht und mit viel Spaß und Freude.

Na ja und letzte Woche war der Tag des Sports, ich glaube der größte Feiertag in diesem atheistischen Land. Da tragen die Männer im Summ-Outfit irgendwelche Schreine durch die Strassen, welcher das ist und ob dies eine Bedeutung hat wird hier nicht so ernst genommen. Alle trinken Bier und schreien und sind einfach lustig. Zur Regelung des Verkehrs steht an jeder Straßenkreuzung ein Uniformierter mit versteinerter Miene und dem Leuchtstab der Jedi-Ritter aus Krieg der Sterne – oder lässt hier George Orwell schön grüßen aus 1984?