Donnerstag, 1. Mai 2008

Im Land der aufgehenden Tonne

Gleichzeitig mit dem Erreichen des Rekordpreise von 120 USD für die Tonne Rohöl hat Japan Anfang des Monats die Zusatz-Mineralölsteuer aus den siebziger Jahren abgeschafft – das Gesetz lief einfach aus, und die Opposition hat sich vehement gegen eine Verlängerung gestemmt. Kostete der Liter Superbenzin bisher 1.00 Euro, so sind es jetzt nur noch 80 Cent. Der Liter Diesel wird z. Zt. für 65 Cent verkauft. Allerdings will die regierende liberale Partei die Zusatzsteuer am Wochenende wieder einführen und ist dabei, diese Maßnahme „durch das Parlament zu peitschen“ (wie das in der Japan Times immer so nett heißt). Dann kostet der Liter Super wieder einen Euro. Alle horten, nur ich nicht: Wenn ich zur Tankstelle fahre und meinen 200-kilo Motorschlitten betanke, kriege ich von meiner 1000 Yen-Note (6 EUR) immer noch jede Menge Wechselgeld raus.

Überhaupt ist Japan weder besonders teuer noch besonders umweltbewußt. Die Steuerlast hält sich in Grenzen: Die individuelle Einkommensteuer kann – ähnlich wie in Deutschland – bis zu 40 % betragen. Aber die Japaner haben den Soli schon abgeschafft, und in meinem ersten Halbjahr hier lag mein persönlicher Einkommensteuersatz bei 20 % (nationale und lokale Steuer zusammen). Steuern auf Zinseinkuenfte belaufen sich auf 20%, auf Dividenden und Spekulationsgewinne fallen lediglich 10%an. Zusätzlich kann man sich mit verschiedenen Steuersparmodellen den Durchschnittssteuersatz weiter runtermischen: Die Mietkosten der Wohnimmobilie beispielsweise kann der Arbeitnehmer gehaltsmindernd durch die Firma zahlen lassen und entrichtet nur 6,5% Steuern auf den geldwerten Vorteil. Das Beste jedoch: Die Mehrwertsteuer beträgt nur 5 %!

Ähnlich wie die amerikanische Wirtschaft ist auch die japanische in erster Linie eine Binnenwirtschaft: Der Exportanteil am Bruttosozialprodukt beträgt lediglich 20 – 25 %; bei Deutschland sind das 40 – 45 % (klar – sonst wäre Deutschland ja auch nicht Exportweltmeister). Im Endeffekt sind hier viele lokal produzierte Waren aufgrund des riesigen, homogenen Binnenmarktes extrem billig: So kostet ein ordentlicher Regenschirm 3 EUR; Staubsaugerbeutel sind für wenige Cent zu haben (nicht wie bei Miele in Deutschland: 5 Stück für 20 Euro), ein einfaches Fahrrad japanischer Provenienz geht für 60 Euro über den Ladentisch. Ein nagelneues Luxuscabriolet oder ein Luxusvan, jeweils mit Ledersitzen und 3,5-Liter-V6-Motor, ist für einen Golf-Freundschaftspreis von EUR 30.000 zu erstehen. Wie gesagt, Umsatzsteuer nur 5 %.

Die Arbeitslosenquote beträgt 3,8%. Die Personalzusatzkosten liegen bei ca. 14% (Deutschland: 20%, was immer noch sehr gering ist im Vergleich zu den französischen 70% - ohne Beitragsbemessungsgrenze!). Allerdings liegt dafür die staatliche Durchschnittsrente in Japan bei lediglich 500 Euro pro Monat (Deutschland: 1.000). Der fleißige Japaner muß eben noch zusätzlich was zur Seite legen.

Am liebsten baut sich der Japaner von seinem Ersparten eine zugige Bretterbude und reißt sie nach einigen Jahren wieder ein. Oder er lässt sein Geld in den guten Restaurants in Tokio; die wiederum reißen spätestens nach fünf Jahren ihre Avantgarde-Inneneinrichtung wieder raus – ab in die Tonne – und installieren ein komplett neues Dekor.

Gerne lebt der Japaner auch sein Faible für deutsche Produkte aus: Die Marken des Exportweltmeisters sind überall präsent, und dafür wird gerne gutes Geld ausgegeben. Wer sich einen Mercedes leisten kann, kauft sich gerne noch einen zweiten. Porsche, BMW, Audi, aber auch VW sind hier Kultmarken: Ein Gebrauchtwagenhändler um die Ecke hat laufend eine Auswahl an VW 1500ern aus den sechziger Jahren, Variant und Stufenheck, und dazu noch eine ganze Latte Karmann-Ghias. Im Haus muß ist die Kaffeemaschine von Braun sein, die Badezimmerarmaturen sind von Grohe, und wer auf sich hält hat auch die Waschmaschine und den Trockner von Miele. Gern zieht man sich auch den Parka mit der deutschen Flagge am Arm an.

Neulich abends im Restaurant sitzen zwei japanische Studentinnen am Nebentisch, offensichtlich unternehmungslustig und gesprächsbereit. Schüchtern wende ich das Wort an sie:
- Na, wo kommt Ihr denn her, Ihr Süßen?
- Aus Osaka! Und Du?
- Aus Frankfurt.
- Geil! Mercedes!

Keine Kommentare: