Montag, 6. April 2009

Sukii ga suki desu (shifoan is desu laiwan tsu te wosma sinua vua shutoen ko)

Wenn man mitten in Tokio wohnt, ist Skifahren kein Problem: Vom Tokioter Hauptbahnhof fährt im Halbstundentakt ein Shinkansen-Schnellzug in die japanischen Alpen; nach 90 Minuten schwebt man vom Ankunftsbahnhof mit der Rolltreppe direkt ins Skigelände. Die nötige Ausrüstung gibt’s vor Ort.

Oder man trifft sich Sonntagmorgen um sechs mit ein paar Kollegen an der Straßenkreuzung, quetscht sich zu den Kindern in ein Auto und fährt gemütlich auf der Autobahn, bis man nach drei Stunden und zwei Kotzpausen auf einem halbvollen Riesenparkplatz direkt vor den Skiliften ankommt. Auch hier steht im Durchgangsterminal wieder eine Horde junger Menschen bereit, welche dich mit freundlichem Lächeln und für vergleichsweise wenig Geld in Minuten von deiner legeren Straßenkleidung befreien und in einen komplett ausgestatteten Skifahrer verwandeln. Großzügige Umkleideräume und Spinde stehen zur Verfügung. Die Pisten sind wie in der Schweiz, die Lifte wie in Österreich, und die Hochhaushotels, na ja, die sehen eher so aus wie in Frankreich.

Da Fritz gerade Faschingsferien hatte und die Angebote sehr, sehr günstig waren, beschlossen wir zwei Skifahrer, zusammen – nur Vater und Sohn – für ein paar Tage auf die Nordinsel Hokkaido zu fliegen: Das Wetter dort wird von Sibirien beeinflusst und ist schneesicher, der Schneefall beläuft sich auf durchschnittlich 28Meter in Jahr…

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Wir wohnen eher in der Stadtrandmitte von Tokio, und so ist auch der japanische Binnenflughafen Haneda nicht so leicht zu erreichen: Mit dem Zug muß zweimal Umsteigen schon sein, und wir hatten anderthalb Stunden für die Anreise zum Flughafen einkalkuliert.

Die Tokioter Metrostationen, insbesondere die Umsteigebahnhöfe, haben es in sich: Sie sind ineinander verschachtelt und übereinander gestapelt, die Verbindungsschluchten und Ausgangswege stehen in ungewöhnlichen Winkeln von siebzehn bis 295 Grad zueinander und erstrecken sich über viele Stockwerke. Der Weg zur Oberfläche erscheint zuerst endlos, dann sinnlos, und bis man schließlich eine der von A1 bis Z25 durchnummerierten Öffnungen mit freiem Blick auf ein Stückchen Himmel erheischt weiß man nicht mehr, ob man Männchen oder Weibchen ist. Geschweige denn, wo Norden und Süden sind, oder wo man eigentlich mal hinwollte.

Unser erster Umsteigebahnhof an diesem Morgen erschien bis zum sechsten Tiefgeschoß zunächst harmlos, bis auf daß die einzelnen Rolltreppenabschnitte doppelt so lang waren wie bei anderen Bahnhöfen. Circa 200 Meter unter dem Meeresspiegel hatte man eine großzügige Raumstation eingebaut, und tausende Menschen schienen genau zu wissen, wo sie hinwollten – nur wir nicht.

Bei der nächsten Station hatte sich die Anzahl der Rolltreppenabschnitte noch einmal verdoppelt, wahrscheinlich waren wir bei der Durchquerung des Tokioter Beckens noch etwas in die Tiefe gerutscht. Leider verzählten wir uns bei der Anzahl der Streckenabschnitte auf dem Weg nach oben und wußten jetzt nicht mehr, ob es eine gerade oder eine ungerade Anzahl war: Dies hätte natürlich eine direkte, sprich 180-Grad-Auswirkung auf die Richtung unserer Weiterfahrt.

Statt noch mal zurückzugehen und das Ganze mit dem Kompass noch mal von vorne aufzuziehen ging ich erstmal auf die Toilette, um mir Gewissheit über meine geschlechtliche Identität zu verschaffen. Hernach war ich wieder in der Lage, Fritz die Richtung vorzugeben. Außerdem gebot ich ihm, umgehend damit aufzuhören mich „Mutter“ zu nennen.

Der Flughafen dann das Kontrastprogramm: Noch mehr als der internationale Flughafen Narita zeichnet sich der Binnenflughafen Haneda durch große Übersichtlichkeit aus. Innerhalb von fünf Minuten hatten wir eingecheckt. Die Sicherheitskontrolle für Binnenflüge war ein Klacks. Beim Einstieg in den Flieger dann mal wieder ein Beispiel japanischer Prozessoptimierung, allerdings mit viel Personal: Vor den beiden Bordkartenlesegeräten stehen jeweils zwei Bedienstete der Fluggesellschaft. Huldvoll öffnen Sie die Hände, als würden Sie eine Opfergabe empfangen, und schieben unter großer Danksagung die Flugkarte ins Lesegerät. Dahinter stehen dann wieder jeweils zwei und reichten unsere mit einer Verbeugung und einem kleinen Dankeschön den abgetrennten Bordkartenabschnitt. - Der Einstieg von 570 Passagiern in den Jumbo war in fünf Minuten über die Bühne – ich war beeindruckt.

Außerdem konstatiert man auf japanischen Binnnenflügen die auffällige Abwesenheit von Pöbel, nägelkauenden Flugpsychopaten, korpulenten Blondinen, schreienden Kindern und sonstigem flugtechnischen Kernpersonal. Sanft schwebten wir mit dem Jumbo nach einer Stunde in Hakkaido ein. Die ausgesucht nette Flugbegleiterin kümmerte sich auch ganz rührend um uns und stellte durch sanftes Eindrücken jeder Gepäckfachtür vor dem Abflug und dann wieder vor der Landung sicher, daß auch wirklich alle Schlösser derselben noch immer eingerastet waren….

Hokkaido liegt auf dem „Bieräquator“ (München – Milwaukee – Sapporo) und ist außer für seine exzellenten Brauerein und dem schon erwähnten Schnee auch noch bekannt für seine Kartoffeln. Die angenehme, zweistündige Busreise durch meterhohen Schnee über leichte Hügel, entlang dem letzten nicht einbetonierten Fluß Japans, wurde also nur durch eine kurze Kartoffel- und Bieraufnahme unterbrochen. „Reis sollen doch die in Tokyo fressen!“

Im Schigebiet wurde es dann so richtig langweilig. Das Hotel war einfach nur schön. Der Skilift beginnt direkt am Hotel. Beim Durchgang zum Liftgebäude passiert man die junge Garde der Ski-Butler – junge, freundliche Leute aus allen Ländern der Welt (also hauptsächlich Japan und Australien) nehmen Dir Deine Schuhe ab und bringen Dir Deine Skiausrüstung. Anziehen musst du dich selbst.

Den Schnee in Hokkaido kann man mit Fug und Recht als g’fuehrig bezeichnen. Der einzige Unterschied zu einem Skigebiet in, sagen wir mal Österreich, ist, dass kein einziger Skilehrer Franz heißt. Oder Rüdi. Der Schnee lag so hoch dass keine einzige Palme rausguckte, am Gipfel satte vier Meter. Der Gipfel lag dreizehnhundert Meter über dem Meeresspiegel; da sieht man mal, was so eine Wetterfront aus Sibirien bewirken kann.

Die blauen Pisten sind in Japan grün, da der Japaner nicht zwischen blau und grün unterscheidet. Bei der Führerscheinstelle hatte ich aus diesem Grund letztes Jahr größere Diskussionen ausgelöst. Nun gut, hier auf der Piste konnte man doch sehr schnell sehen, dass es sich hier nicht um Wanderwege handelte. Während ich zuerst verkrampft und denn etwas entspannter meine Stemmbogenschwünge auf den roten und grünen Pisten ausfuhr, raste Fritz durch den „schwarzen“ Tiefschnee.

So langsam ging uns das Ganze auf den Geist: Wir hatten grantelnde Meuten an überfüllten Liften erwartet, aggressive Kinder, überfüllte Kabinen, eisige Winde und dichten Nebel: Nichts dergleichen! Nette junge Männer geleiteten uns zur Liftkabine, am anderen Ende reichte uns eine wirklich reizende junge Dame das Gerät lächelnd wieder zurück, um sich dann wieder der Besenreinhaltung der Bergstation zu widmen: Wo dieser dumme Schnee doch auch überall hinweht!.

An gar nichts konnten wir uns aufregen: Das Hotelzimmer war mit zwei großen Betten und Matratzen erster Güte ausgestattet, die Aussicht war grandios, das Bier lecker. Wir entschlossen uns, die schicken Jukatten anzulegen, in das Thermalbad in der ersten Etage zu gehen und mal richtig was zum Meckern zu finden. Aber nein, die Fazilitäten waren einwandfrei, die Holztreppe nach Außen wurde zur Vermeidung von Fußkälte mit heißem Thermalwasser überspült, und dann saßen wir da draußen im richtig knackig dampfenden Wasser, starrten durch das leichte, immer erst abends einsetzende Schneetreiben in den weihnachtlichen Tannenwald – und hatten wieder nichts zu meckern.

Und die japanischen Skigebiete haben sogar Hütten, in denen es akzeptables Essen, heißen Tee und kaltes Bier gibt. Ganz großartig sind die Hütten mit Tatamimatten: Hier kann man die Skistiefel ausziehen und sich auf ein paar Kissen langlegen: Eine schöne Erholung zwischendurch.

Schließlich fanden wir uns damit ab, nichts zum Meckern zu finden. Und damit wir auch wirklich nichts zum Meckern hatten nahmen wir drei Tage später nach dem entspannten Bustransfer durch wunderschöne Landschaft, und dem entspannten Ein-Stunden-Rückflug im dicken Jumbo ganz entspannt ein Taxi, welches uns in einer halben Stunde und zu einem vernünftigen Preis in unserem entspannten Zuhause absetzte.

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